Tony Miles (1955 – 2001)
Irgendwann müssen wir alle ja gehen und diese Welt verlassen, die einen früher, die einen später. Traurig ist es in jedem Fall.
Als im Jahr 2001 der englische Großmeister Tony Miles überraschend verstarb, traf es die Schachwelt wie ein Schock. Miles? So jung? Lebt nicht mehr? Das konnte niemand glauben, und doch war es so.
Als vielreisender Openspieler und Professional führte der sechsundvierzig Jahre alte Tony ein intensives, strapaziöses Leben, hinzu kam eine schwierige Diabetes-Erkrankung. Am 12.November 2001 entdeckte man ihn tot in seiner Wohnung in Birmingham, gestorben vermutlich an einem Herzinfarkt.
Miles war immer einer der Helden in meinem Schachleben, wie so viele der britischen Meister vor und mit ihm, Jon Speelman, Michael Basman (1…a7-a6!), Simon Webb (Schach für Tiger!), auch Nigel Short und natürlich der sehr und sehr langjährige Werderaner Luke McShane.
Sie alle spielten und spielen aufregendes Schach und haben viel Sinn für die Phantasie des Spiels. Humor auf und neben dem Brett – das gehört dazu.
Michael Adams – Luke McShane: How to go on?
Miles war einfach cool, ein freier Geist, ohne Sorge, auch hier und dort anzuecken – so lag er unter anderem in Fehde mit den Veranstaltern des Hastings Open, das er in Kolumnen als zweitklassig bezeichnete („hat einen stetig wachsenden Ruf als eines der schlechtesten Turniere der Welt“), was eher zu Unfreude bei den Veranstaltern führte.
Sein Schach war von reichlich Kampfgeist geprägt, Remis zu schieben war nicht so seine Sache. In seinen besten Jahren in den 1980ern, war er die Nummer 9 der Weltrangliste.
Dennoch begann man ihn bald nicht mehr zu den großen Turnieren einzuladen, da andere Spieler mit einem weniger intensiven, eher friedvollen Spielstil dem Superturnier eine höhere ELO und damit auch höhere Turnierkategorie einbrachte – wofür auch immer das gut sein sollte. Jedenfalls endeten viele Runden dann einfach mit öden Remisen, und Miles war (zu Recht) angefressen davon.
Ein Highlight seiner Karriere war sicherlich der unvergessliche Sieg gegen Weltmeister Anatoly Karpov in Skara 1980 mit dem schönen 1.e2-e4, a7-a6! 2.d2-d4, b7-b5! („Zu diesem Zeitpunkt wurde das Lachen der Zuschauer so langsam peinlich“, Miles).
Beinahe hätte ich ihn in den späten Neunzigern einmal in echt gesehen, beim Pyramiden-Open in Fürth 1998. Miles war angemeldet, traf dann aber doch nicht ein – irgendeine Verzögerung bei der Anreise aus den USA. Schade … !
Viele Impressionen aus Miles‘ Leben, seinem schachlichen Schaffen und seinen bisweilen schrägen Kolumnen finden sich in dem wunderbaren Buch ‚It’s Only Me‘ – England’s First Chess Grandmaster, darunter auch aus dem Magazin Kingpin eine offenherzig- drastische Rezension des Buches „Secrets of Minor-Piece Endings“ (Geheimnisse der Leichtfigurenendspiele) seines Schachfreundes John Nunn:
„… die ganze Sache ist ziemlich unverdaulich – wenn 79 Seiten zum Thema Springer + Bauer vs Springer Ihre Idee von Spaß ist, dann ist dies das Buch für Sie.
Für 17,99 Pfund ist dies ein Buch, von dessen Erwerb Sie Ihre lokale Bibliothek überzeugen sollten. Auf einem ungarischen Turnier sah ich kürzlich ein Exemplar angeboten, reduziert von 2,5 Pfund auf 25 Pennies! Trotzdem wollte es niemand kaufen!
Das Buch is mehr oder weniger, was es sein soll – ein definitives Referenzwerk – und als solches ist es exzellent, aber für mich ist es nur ein Haufen totes Schach.“
Am 12.November 2001, heute vor zwanzig Jahren, endete das Leben von Tony Miles. Rest in peace, und – danke für alles.
Einige Erinnerungen von Vlastimil Hort
Ein schönes und bildreiches Miles- Porträt von GM Zenón Franco Ocampos
Aus ‚It’s Only Me‘:
Bei der Elista-Olympiade 1998 spielte Miles eine so bizarre Partie gegen Anatoly Vaisser, dass es schien, sein Sinn für Humor habe ganz von ihm Besitz ergriffen:
„So ist meine Natur. Ich bin nicht sehr ernsthaft, wenn ich spiele. Ich meine, ich konzentriere mich natürlich, aber das ist nur ein Teil davon – ich habe eine starke Tendenz dazu, erst die verrückten Sachen anzusehen.
Wenn ich einen Bauern umwandele, bevorzuge ich einen Läufer gegenüber der Dame, falls es möglich ist. Ich habe eine Vorliebe für, sagen wir, drei Türme auf dem Brett.
In einem Wochenendturnier hatte ich das mal, und anstatt aufzugeben, hat sich mein Gegner sehr schön in der Mitte des Brettes mattsetzen lassen. So etwas finde ich aufregend.“
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