Vive la France!

Die Franzosen machen es richtig und feiern ihren Nationalfeiertag stilgemäß morgen am 14.Juli, mitten im farbenfrohen Sommer. Wir Deutschen, nun ja, unser Tag ist der etwas fade 3.Oktober im eher graumeligen Herbst. Was soll man da sagen?

Jedenfalls ist der 14.Juli ein schöner Tag, um in Frankreich zu weilen, oder so hoffe ich zumindest. In der vergangenen Woche spielte ich in Saint Quentin/ Nordfrankreich ein neunrundiges Open, und bin nun noch etwas hier geblieben in der Region.

Wenn Frankreich Baguette bedeutet, Café, Rotwein, Käse und schöne Frauen – dann wird das eine gute Entscheidung gewesen sein!


Le petit déjeuner

Das Turnier in Saint Quentin aber beendete ich mit einem dicken Elo-Minus, denn gegen virtuos und tief kalkulierende Franzosen kam ich kaum einmal „über die Mittellinie“ (wie wir Fußballer so sagen) und konnte froh sein, überhaupt vier Punkte in neun Partien zusammenklauben zu können. Oh là là, c’est pas bon.


Olaf demoliert, einmal mehr

Den daraus entstandenen Export meiner Elo-Punkte in unser charmantes Nachbarland widme ich natürlich dem großen und immerwährenden Ziel der Völkerverständigung.

Deutsche und Franzosen, das war lange eine toxische Beziehung. Heute, wir haben Glück das sagen zu können, sieht es da doch viel entspannter aus.
Die Brücke über den Fluss Aisne in Compiègne zum Beispiel, sie wurde sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg von deutschen Truppen zerstört, die sich hier auch sonst in diesen Jahren keine Freunde gemacht haben. Schlimme Zeiten.
Direkt hier im Nordwesten lagen sich eingebuddelt in Schützengräben Deutsche und (unter anderem) Franzosen im Stellungskrieg gegenüber, kulminierend in der Somme-Schlacht 1916.
Um die deutschen Linien endlich zu durchbrechen, beschossen die Engländer im Sommer eine Woche lang die deutschen Befestigungen – und marschierten dann los durch das Niemandsland zwischen den Schützengräben.

Die Deutschen aber hatten den Beschuss unerwartet gut überstanden und sahen nun englische Truppen in offener Marschformation auf sich zukommen. Mit ihren Maschinengewehren töteten sie allein in der ersten dreißig Minuten des Vormarsches 8000 Engländer. Am ersten Tag ihres Vorrückens fielen über 60.000 Engländer.

Man kann sich diese Zahlen kaum vorstellen in ihrer wüsten Brutalität, in jedem einzelnen Schicksal, und dem, was es für alle betroffenen Familien bedeutete. Ähnliches ereignete sich 1916 bei der Schlacht um Verdun weiter südöstlich in Frankreich – hier starben insgesamt 300.000 junge Soldaten, ohne dass es für eine der beiden Seiten einen Stellungsgewinn in nennenswerter Form gegeben hätte.

Dazu hier zwei Videos:

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Stellungskrieg und Materialschlachten im 1.Weltkrieg. Jahrelang. (VIDEO/FOTO: DokumentARFilm.com)


Im Westen nichts Neues, Verfilmung des bedrückend realistischen Romans von Erich Maria Remarque

Nie wieder Krieg.

Und wenn doch Krieg, das sage ich als Sofakämpfer und ehemaliger Bundeswehr-Soldat, wenn doch Krieg, dann gegen die dunklen Mächte, wie sie als Ruzzen jetzt gerade in der Ukraine am Werk sind. Hier muss man kämpfen, schlimm genug, hier kann man nicht einfach den Kopf beugen und sich erobern und vernichten lassen durch einen invasorischen Terrorstaat.

****

Nun aber … zurück nach Frankreich. Und zurück zum Schach? Ein bisschen jedenfalls.

Nach dem schachlich sehr schönen ersten Halbjahr 2025 war ich ansich ganz guten Mutes zum Turnier aufgebrochen. Da die Anreise mit Schnellzügen (ICE!, TGV! Eurostar!) kurzfristig relativ teuer war, schwang ich mich gedeckt durch das formidable Deutschlandticket in den Eilzug nach Osnabrück und setzte meine Reise mit zwei Umstiegen fort bis nach Herzogenrath bei Aachen – fast schon Belgien.

Hier aber verpasste ich gleich zwei Anschlusszüge – es frage niemand nach dem Grund! – und quälte mich dann ein wenig durch Belgien mit weiteren Eilzügen, zwei Intercitys, und einem abschließenden IC von Lille nach Saint Quentin.


Düsseldorf Hauptbahnhof – Klassische Moderne


Lüttich/ Liège – ein Griff nach den Sternen


Brüssel – hier irgendwo wohnt auch Ursula van der Leyen


Lille – ein Sprung ins Jahr 1900


Saint Quentin – im 1.Weltkrieg zerstört, wurde der Bahnhof wunderschön im Stile von Art Déco neu errichtet

Eine ganz abwechslungsreiche und schöne Reise! Wenn auch leider ohne Zeit für eine nachmittägliche Kaffeestärkung – die Anschlusszüge warteten immer schon.

Am Ende erreichte ich Saint Quentin nach einer dreizehnstündigen Reise und fiel platt hinein in meine Unterkunft. Am nächsten Tag begann das Turnier, und ich merkte schon jetzt, dass ich schachlich noch überhaupt keinen Dreh spürte.

So schaute ich mir abends noch die erste Folge einer spannenden Netflixserie an. Und dass ich das auch am nächsten Turniertag am liebsten weiter so gemacht hätte, statt zur Schachpartie zu gehen – das gab mir schon zu denken. Selbst zu Partiebeginn freute ich mich auf das Weiterschauen der Serie – wie soll man da noch gewinnen?
Und gegen den starken 2340er FM Sven Charmeteau, französischer Alt-Werderaner, früherer HORDE-Weltmeister und ein guter Schachfreund, wird man mit so einem Mindset kaum einen Punkt holen können!


Lebenslang Grün-Weiß – Sven läuft auch in Frankreich mit Werder-Outfit auf!


Partie dargeboten in moderner Chessbase-Technologie – mit Dank nach Hamburg

So also ging das los mit einer verdienten Niederlage in Saint Quentin, und so ähnlich setzte es sich auch fort in Runde 2 und 3. Mein Start mit 0,5 aus 3 war nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte – nur, falls das jemand geglaubt haben sollte.
Und dieser Start nahm sozusagen die Unbill und das schachliche Missvergnügen der weiteren Runden bereits vorweg. Immerhin konnte ich abends wieder meine Serie weitergucken, doch macht einen das glücklich, wenn man so verloren hat? Ich fürchte nicht.

Schachspielen ist ja, wie wir alle wissen, eine außerordentlich fordernde Tätigkeit für Körper, Geist und Psyche, die einem immer wieder scharf die Grenzen zeigt und den Tag verderben kann. Warum nur tun wir uns das an?
(Spoiler: Wegen dem guten Kaffee im Turniersaal. Und weil es einfach Bock bringt zu spielen!!)


Der berühmte Blick in den … na, Ihr wisst schon……. (Turniersaal!)

Turnierseite und erste Links

Olaf Steffens

FIDE-Meister und Spieler für Werder Bremen in der Zweiten Bundesliga, Oberliga und Landesliga. Größte Erfolge: Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, Bremer Pokalsieger 2013 und Bremer Meister 2025! Sieg mit 1.b2-b4 gegen GM Sergei Tiviakov beim Jersey Open 2019 Lest weiter hier: https://veganeschachkatzen.de/ueber-mich/

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2 Comments

  1. Wenn dir die nachmittägliche Kaffeestärkung fehlte, dann hast du ja zumindest eine gute Entschuldigung für dein Abschneiden 🙂 (wenn du das geahnt hättest, hättest du dir sicherlich am Bremer Hauptbahnhof noch Zeit genommen für einen Kaffee, vielleicht sogar für einen veganen Haferkater).
    Dafür bin ich mir sicher, dass du auf deiner Reise ein paar nette Namen für deinen vorherigen Artikel sammeln konntest – beginnend in Osnabrück mit einem Stadion namens Bremer Brücke und einem Fluss namens Hase.

    • Bremer Brücke, lieber Holger, das ist leider traumatisch durch mehrere Pokalpleiten norddeutscher Clubs, vorzugsweise aus Hamburg … lieber nicht. Aber Hase – sehr gut!

      Kaffee morgens am Bremer Bahnhof habe ich getrunken, war wichtig so in der Frühe. Aber es war dann tatsächlich der Letzte schon des Tages – unerwartet!

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