Schuh schaut Schach: Your Jungle Guide to Rook Endings

Eine Rezension von IM Dirk Schuh

Ich werde oft gefragt, wie ich es geschafft habe, ab meinen Endzwanziger Jahren noch den Fidemeistertitel und dann mit 32 den Titel des Internationalen Meisters zu erringen. [Fragen, die aber wohl jeder gerne hört 🙂 – die Redaktion]
Neben einem sehr disziplinierten Vorbereitungsritual vor jedem Turnier, das ich spielte, habe ich vor allem an meiner Turmendspieltechnik gefeilt und dann Eröffnungen gewählt, in denen die Türme oft recht lang auf dem Brett bleiben.
Das hat mir einerseits viele Punkte gegen schwächere Spieler gebracht, die vorher in Eröffnung und Mittelspiel noch gut mithielten, dann aber mit der Komplexität dieses Endspieltypus überfordert waren, war aber vor allem eine Waffe, um schlechtere Stellungen noch zu halten und so meine Verlustquote zu senken.


Gute Turmendspiele – einer der Wege zum Elo-Anstieg

Zwar trainiere ich jetzt nicht mehr soviel an meiner Spielstärke, sondern eher an der anderer, konnte aber letztens in der Quarantäneliga auf www.lichess.org mal wieder sehen, warum sich die Arbeit gelohnt hat. Dort spielte ich gegen den ägyptischen Großmeister Dr. Bassem Amin, mit 2686 Elo derzeit die Nummer 44 der Welt, und wurde natürlich bis ins Turmendspiel hinein geknetet. Trotzdem schaffte ich in einer langen Blitzpartie mit Inkrement ein relativ lockeres Remis, weil ich wusste, worauf ich zu achten hatte.

Damit jetzt alle Schachfreunde mal wieder konzentriert an ihren Turmendspielfähigkeiten arbeiten können, hat der griechische Großmeister Efstratios Grivas für Thinkers Publishing mit „Your Jungle Guide to Rook Endings“ ein neues Werk zu dem Thema veröffentlicht, das mir trotz kleinerer Mängel recht gut gefallen hat.
Es beginnt bei den drei wichtigsten Turmendspielstellungen „Lucena„, „Philidor“ und „Vancura„, die in meinen Augen schon ideal zeigen, wie wichtig Aktivität in diesen Endspielen ist, aber auch, was Aktivität im Turmendspiel eigentlich bedeutet.


Aktivität ist alles

Ich kenne einige Leute, die natürlich den Satz kennen, dass im Turmendspiel Aktivität das wichtigste Prinzip ist, aber gar nicht verstanden haben, was das bedeutet. Hierfür formuliert der Autor immer wieder wichtige Merksätze und Faustregeln, die die zahlreichen Beispiele aus dem Buch unterstützen. Ich selbst hätte mir allerdings hier und da noch mehr verbale Unterstützung gewünscht.

Für mich war es zum Beispiel etwas irreführend, dass es bei der zweiten Philidorverteidigung zwar heißt, dass der verteidigende König in der Stellung mit einem weißen Turm auf a7, Bauer auf e5, König auf e6 und einem schwarzen Turm auf e1 und König auf e8 zwar heißt, dass der schwarze König nun über f8 in die kurze Ecke laufen soll, dann aber in den Anmerkungen steht, dass Kd8 auch ein Remis hält, ohne anzugeben, dass dies bei Zentrumsbauern so ist, aber bei Läuferbauern dann wirklich verliert.

Das wahre Prunkstück des Buches sind aber die vielen wichtigen praktischen Stellungen, die man draufhaben sollte. Für mich persönlich sehr wichtig sind da zum Beispiel die Endspiele, bei denen alle Bauern an einem Flügel sind und eine Seite einen Mehrbauern besitzt und jene, in denen eine Seite Druck auf schwache gegnerische Bauern ausüben kann und darum aktiver steht. Diese werden in dem Buch sehr genau unter die Lupe genommen.

Der erfahrene Endspielbuchleser wird sicher einige der klassischen Beispiele wiedererkennen. Mir war zum Beispiel die Endspielstellung aus der Partie Petrosjan-Keres, Moskau 1951 bekannt, in der Weiß am Königsflügel 4 Bauern gegen drei von Schwarz besaß und Paul Keres eine modellhafte Verteidigung bis zum wohlverdienten Remis schaffte. Dabei hat er, wie der Autor in seiner Einleitung zu diesem Kapitel gut verdeutlicht, mit f7, g6, h5 eine ideale Auffangstellung kreiert und konnte ganz klassisch auf dem Weg zum weißen Freibauern viele Bauern tauschen, ein Prinzip, das mir auch schon einige Remisen eingebracht hat.


Keres baut den Wellenbrecher

Neben solchen Klassikern analysiert der Autor aber auch viele unbekannte Partiefragmente, die teils zeigen, wie man mit genauem Spiel remisiert, aber auch, wie Ungenauigkeiten ausgenutzt werden können. Weniger erfahrene Endspiellernende werden dabei vielleicht überrascht sein, dass selbst bekannte Spieler immer wieder am Verteidigen haltbarer Endspiele gescheitert sind und auch die Gewinnverfahren nicht so einfach am Brett gefunden werden können, was die Arbeit am Turmendspiel zu einer wichtigen praktischen Komponente macht.
Bei Endspielen mit Bauernschwächen sieht es ähnlich aus. Hier ist der große Klassiker das Endspiel aus der Partie Flohr-Vidmar, Nottingham 1936, die schon in zahlreichen Büchern dargestellt wurde. Schwarz hatte dort ein hängendes Bauernpaar auf c6 und d5, bei dem sich ein weißer Turm auf c5 eingenistet hat und den schwarzen Turm auf c8 zur Verteidigung des c6 zwang. In der Folge hat Weiß die schwarzen Figuren erst passiv gehalten und dann wunderbar die Stellungen geöffnet, um an beiden Flügeln spielen zu können. Dies hat letztlich die schwarze Verteidigung überlastet.
Ich habe dieses Beispiel sicherlich schon in etlichen Trainingseinheiten verschiedenen Schülern vorgestellt und mit ihnen analysiert, bin aber immer noch von Salo Flohrs Technik absolut begeistert und denke, dass die in diesem Endspiel genutzten Motive das Verständnis eines jeden Schachspielers vergrößern können.

Ein Meister des Turmendspiels: Salo Flohr! (Foto: Harry Pot, The Dutch National Archives/ Wikicommons)

Bei GM Grivas gibt es als Ergänzung aber noch viele weitere Beispiele zu diesem Themenkomplex, wodurch man die Feinheiten noch besser verinnerlichen kann. Zusätzlich finde ich es auch nützlich, viele der Beispiele gegen einen Trainingspartner oder ein Computerprogramm auszuspielen.

Daneben gibt es aber auch einige weitere Endspiele zu bestaunen. Der Autor behandelt neben weiteren haltbaren Endspielen mit unterschiedlichem Material auch einige praxisfernere Endspiele wie zum Beispiel den Kampf eines Turms gegen drei Bauern, zeigt aber auch ein paar Doppelturmendspiele, die noch mehr Dynamik bedeuten können. Wenn man all diese Beispiele wirklich verstanden hat und praktisch anwenden kann, sollte das absolut ausreichen, um die eigenen Ergebnisse in diesem Bereich deutlich zu verbessern.

Insgesamt ist dies ein sehr nützliches Werkzeug zur Erlangung der Meisterschaft im Turmendspiel. Manchmal hätte ich mir zwar mehr oder genauere Erklärungen gewünscht, dennoch denke ich, dass es ab einer DWZ von 1700 nützlich sein kann, sich dem komplexen Thema der Turmendspiele mit diesem Buch zu stellen. Vor allem die große Zahl an tollen Beispielen hat mir sehr zugesagt!

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IM Dirk Schuh, Schachtrainer
Mai 2020

Efstratios Grivas, Your Jungle Guide to Rook Endings bei Schach Niggemann (mit! Leseprobe)

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Das gute alte Turmendspiel: Aufgaben von IM Jonathan Carlstedt

Olaf Steffens

FIDE-Meister seit 1997, seit 2007 Spieler für Werder Bremen in der Zweiten Bundesliga, Oberliga und Landesliga. Größte Erfolge: Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, Bremer Pokalsieger 2013! Größte Misserfolge: Werd´ ich hier lieber nicht sagen! Diplom-Handelslehrer, ich unterrichte an einer Bremer Berufsschule Englisch, Buchführung und Wirtschaft. Lest weiter hier: https://veganeschachkatzen.de/ueber-mich/

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