Frank Zeller: Meister der langen Strecke
Also, bei mir ist es ja eigentlich so:
Manchmal opfere ich einen Bauern „für Spiel“, und freue mich über freie Linien, Angriff und tanzende Figuren! Irgendwann nur ist alle Kompensation und jeglicher Angriffswirbel ausgelutscht und mein Gegner nimmt den Punkt mit nach Hause.
Bauernopfer? Spaß machen sie auf alle Fälle, aber der Erfolg ist mindestens ungewiss. Don’t try this im Mannschaftskampf.
Und bei Frank Zeller?
Frank, der Internationale Meister, Schachjournalist, verdiente Trainer, und überhaupt, Stern des Südwestens!, opferte jüngst beim Arco-Open am Gardasee den einen oder anderen Bauern.
Bekam er dafür Kompensation? Nicht dass ich wüsste!
Bekam er dafür Punkte? Aber immer – drei an der Zahl, in drei vortrefflichen Weiß-Partien.
Trainer, Meister, Buchautor: Frank Zeller
Der Maestro Internazionale Zeller erwies sich dabei in Italien als formidabler Meister der langen Strecke. Immer, wenn ich nach der Eröffnung mal an seinem Brett vorbeischaute, bemerkte ich „Frank hat einen Bauern weniger“ und „Gegner steht eigentlich ok“.
Indes, die Zellersche Kompensation kommt auf lange Sicht. Zwei Stunden und viele, viele Züge später dann – die Zahl der Bauern war längst schon wieder ausgeglichen, doch die Gegner hatten verloren. Und wie!
Vor einigen Jahren hatte uns Angela Merkel ja über die Schwäbische Hausfrau informiert, die sorgsam wirtschaftend ihr Geld klug einsetzt und nie über die Stränge schlägt.
Wir nun informieren über den Schwäbischen IM, der sorgsam opfernd seine Bauern einsetzt und stets brettumfassend für Unruhe und Unbehagen sorgt.
Runde 4, Zeller – Kwiatkowski: Behaglich ruht die schwarze (Mehr-) Bauernmasse am Damenflügel. Nach 48 Zügen aber 1:0 (Link zur Partie). Magisch.
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Runde 6, Zeller – Perman: Weiß hat sogar ganz ohne Bauernopfer die angenehmere Stellung. So stark ist der IM Zeller!
Im feinen Positionsstile Petrosians gewann er glatt und voller Eleganz im 45.Zug.
Runde 7, Zeller – Lohia: Schon wieder einen Bauern ins Geschäft gesteckt – Meister Zeller kennt da offenbar nichts.
Und wieder ist die Kompensation nicht eindeutig erkennbar? Und doch, auf lange Sicht war sie da, denn FM Lohia ergab sich im 37.Zug. Bumm Bumm.
Zeller (fast) allein zu Haus – erst noch die letzte Partie des Tages fertigspielen
Der Wettbewerb endete für Frank leider etwas unglücklich – hatte er doch bis zur achten Runde noch dicke vorne mitgemischt. Erst eine (wiederum) sehr lange Partiestrecke gegen den amerikanischen GM Bryan Smith und eine Niederlage gegen ein junges polnisches Welttalent warfen ihn am Ende etwas unerwartet aus den Preisrängen.
Allein, beim nächsten Turnier mag das alles schon wieder ganz anders gehen.
Darum, Schachspieler des Südens, seid auf der Hut gegen den IM Zeller und seine langfristigen, fast magischen Bauernopfer. Franks Kompensation für seine Bauern steigt so stetig und unaufhaltsam an wie die Schwäbische Alb bei Tübingen. Mindestens.
Nehmt Euch dann für den Rest des Tages lieber nichts mehr vor. Und rechnet – anders als bei mir – mit einer langen und wenig erfreulichen Massage!
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