Dreizehn ganz gute Gründe, warum man denn verloren hat

Naaa, Ihr Lieben, schon wieder nicht gewonnen heute? Oder gar verloren? Keine Sorge, das kommt vor – auch Carlsen, Kramnik und Capablanca mussten schließlich schon mal aufgeben.

Doch was erzählt man seinen Mitreisenden, dem Partner/ der Partnerin zu Hause, dem Bundestrainer oder den LeserInnen dieses Blogs zu den Gründen einer Niederlage? Das positive Selbstbild soll ja gewahrt bleiben, die Zeiten sind hart.

Daher:

Dreizehn gute Gründe, warum man doch verloren hat

1) Meine Gegnerin hat die Partie ihres Lebens gespielt – da war echt nichts zu machen.

Unbedingt plausibel. Wenn die anderen stärker sind, verliert man eben mal.

2) Ich wollte unbedingt gewinnen, und habe dann am Ende überrissen.

Fürwahr ein nobler Grund! Solche Niederlagen sind ansich verzeihlich. Und beim nächsten Mal zahlt sich das Weiterspielen vielleicht schon aus.

3) Ich habe für die Mannschaft alles versucht und das Remis verdaddelt.

Das hat der Mannschaft dann ja nicht so viel geholfen.


St. Paulis Schachteam – auch in der Niederlage stilvoll

4) Es gab keinen Kaffee mehr, wie sollte ich da noch denken?

Total nachvollziehbarer Grund!
Im Übrigen ein gefürchtetes Szenario bei Auswärtsspielen, wo nur die Heimmannschaft darauf eingestellt ist, dass kein Kaffee im Spiellokal gereicht wird. Den Gästen bleiben nur trübe Stunden mit viel Mineralwasser.
Und eine beliebte Konstellation bei Doppelrunden – auf einmal kommt nichts Sinnvolles mehr, und man merkt es noch nicht einmal. Oder erst, wenn es schon zu spät ist.


Her mit dem Kaffee …

5) Ich dachte, ich hätte schon 40 Züge voll – und dann fiel meine Klappe.

Wer sich auf 64 Feldern versucht, sollte auch 40 Züge richtig abzählen können…

6) Ich stand auf Gewinn, habe aber mitgeblitzt, als mein Gegner in Zeitnot war. Und dann irgendwie einen Läufer eingestellt.

Schade auch.

7) Ich habe gar nicht verloren, das war nur ein Fehler in der Live-Übertragung.

Na, dann ist ja alles gut. Hoffen wir mal, dass es in der Tabelle rechtzeitig vor der nächsten Auslosung korrigiert wird.

8) Es langweilt mich mittlerweile, immer nur zu gewinnen.

Verstehen wir gut.


Ständig an der Spitze – wo ist da noch der Reiz?

9) Schach ist mir eigentlich gar nicht so wichtig, und auf das Gewinnen kommt es mir nicht an.

Sehr gut. Bitte erinnere Dich daran, wenn wir das nächste Mal gegeneinander spielen. Ich brauche jeden Punkt.

10a) Morgens kann ich einfach noch nicht gut konzentrieren.
10b) Abends kann ich einfach nicht mehr gut konzentrieren.
10c) In Vereinsturnieren spiele ich ja meistens nicht so gut.
10d) Mannschaftskämpfe spiele ich meistens nicht so gut.

11) Mein Smartphone hat geklingelt.

Absolut menschlich. Wenn mich eine Sache nervös macht am Schachbrett, ist es die Sorge, ob mein Smartphone wirklich ausgeschaltet ist. Und ob noch genug Kaffee da ist. Und warum meine Gegner alle so stark spielen.

12) Ich musste meine DWZ mal wieder drücken, um weiter Ratingpreise gewinnen zu können. Darum hat auch –> 11) mein Smartphone geklingelt.

Gehe in Dich, mein Sohn.

13) Meine Gegnerin sagte mir, dass sie den Punkt unbedingt braucht.

Gut gemeint, aber so wird das nichts mit dem Weltmeistertitel.

Habt Ihr weitere gute Gründe? Immer gerne in den Kommentaren!

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Zuerst ungefähr genauso erschienen im Sommer 2021

 

Olaf Steffens

FIDE-Meister seit 1997, seit 2007 Spieler für Werder Bremen in der Zweiten Bundesliga, Oberliga und Landesliga. Größte Erfolge: Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, Bremer Pokalsieger 2013! Größte Misserfolge: Werd´ ich hier lieber nicht sagen! Diplom-Handelslehrer, ich unterrichte an einer Bremer Berufsschule Englisch, Buchführung und Wirtschaft. Lest weiter hier: https://veganeschachkatzen.de/ueber-mich/

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4 Comments

  1. Aus quasi aktuellem Anlass ergänze ich
    15) Es gab sogar an den hinteren Brettern genügend Platz, Gratiskaffee und Holzbretter, da fehlte jede Motivation, sich nach vorne zu arbeiten. (Genaugenommen habe ich in Leer zwar keine Partie verloren, aber drei Gewinnstellungen zum Remis zu vergeigen, dürfte zumindest als gefühlte Niederlage durchgehen.)

    • Aus aktuellem Anlass zurück – ja, sowas kommt leider vor. Nächstes Mal schnappst Du wieder zu, Holger!

      In Hastings beim Open gab es früher immer diese Hierarchie:
      -hintere Bretter mit Plastikfiguren und wenig Platz am Tisch
      – mittlere Bretter – Plastikfiguren, aber deutlich mehr Platz auf dem Tisch
      – vorne dann: Holzfiguren und schön viel Platz
      – und ganz vorne: Holzfiguren, eigener Tisch, und eine Fahne für das eigene Land!

      Das wäre doch ein Turnier für Dich – für Motivation zum Hocharbeiten ist gesorgt! 🙂

  2. Es gibt natürlich die Variationen:

    4a) Der Kaffee war entkoffeiniert
    11a) Beim Nachbarn hat das Smartphone geklingelt, und weil er den selben Klingelton hat wie ich, dachte ich, es wäre meines gewesen und habe gleich aufgegeben.

    und den Klassiker
    14) Die Maus hat sich durch die Anwesenheit der Katzen so erschrocken, dass der Turm ein Feld weiter zog als geplant – leider war er dort sofort weg (ist offensichtlich nur beim Online-Schach glaubwürdig).

    • Hallo Holger,

      alles drei sehr valide Punkte – unheimlich, aus welchen guten Gründen man seine Partien verliert, zusätzlich dazu, dass die Gegner möglicherweise besser gespielt haben.

      Besondere Sorgen bereitet mir Dein Punkt 4a) !

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