Der Klimawandel – Gefahr für unsere Rating?

Wenn die Rating fällt, sollte man sich anderen Themen zuwenden.

Beim großen Kieler Open 2021 wurde ich nun schon mehrfach gemolken und musste nach fast jeder Abendrunde mit Remis, Niederlage, Niederlage (mit Grüßen an meinen Bremer Gegner Malte Hentrop von den SF Findorff) und einem weiteren Remis den Weg zurück zur Unterkunft antreten. Ein DWZ-Plus von 300 Punkten oder mehr gegenüber meinen Gegnern nützte mir da gar nichts.

Auch gegen Alexander Bräutigam, einen jungen Rendsburger mit einer (Prä-Corona-) Wertung von 1600, konnte ich gestern aus einem sehr vorteilhaften Endspiel nicht mehr herauspressen als einen mauen halben Punkt. Mein Gegner hatte sich die Punkteteilung allerdings sehr verdient und kämpfte erfolgreich in allen Partiephasen, die letzten 50 Züge sogar mit einem Bauern weniger.
Einzige kleine atmosphärische Trübung: als er nach einem Remisangebot im 18.Zug ein weiteres Mal im 42. und dann 15 Züge später nochmals Unentschieden vorschlug, wurde ich bereits etwas unwirsch.
Irgendwann hatte ich dann meinen Mehrbauern im Dschungel der Endspieltechnik unter Zeitnotbedingungen wieder verbaselt und musste im 92.Zug selber den Remisschluss antragen – nicht angenehm.

Lc5-b6 und Turmendspiel? Oder Tc6-d6 und Läuferendspiel? Oder lieber nichts tauschen, und mit dem König zum a-Bauern rennen?

Jetzt Kb4-a3 – oder wird der König dort am Rande abgeklemmt? Darum lieber a4-a3?

Jetzt aber .. Te3xg3! Doch wait – was ist dann mit f4-f5!? Empfiehlt sich nicht eher Te3-e6?

So schmilzt sie weiter dahin, meine ehemals ganz schöne Rating hier in Kiel, wie das arktische Eis in Zeiten des Klimanwandels. Immerhin ist sie noch vierstellig und wird es wohl erstmal auch bleiben.

Es scheint aber, als erwische ich beim ersten Turnier nach langen Corona-Monaten regelmäßig die falschen Königszüge, spiele zielsicher das verkehrte Turmmanöver, bin limitiert in Stellungseinschätzung, Variantenberechnung und gutem Zeitmanagement – allzu schnell sinkt meine Bedenkzeit in den Runden hinunter bis zum Inkrement.

Wenn es etwas zu kritisieren gibt am Kieler Open, dann ist es wohl dies – die Punkte bleiben aus! Wie soll man sich da wohlfühlen als Gast? Ich muss das wohl mal weitergeben an die Kieler Touristeninformation.

An die Spitze des Feldes konnte sich gestern Vinzent Spitzl vom SV Griesheim setzen, mittels einer Marathonmann-Partie gegen Sebastian Buchholz (SK Doppelbauer Kiel). Vinzent sieht unheimlicherweise immer noch so aus wie Magnus Carlsen und spielt ähnlich cool – heute muss er sich mit Niklas Callsen vom MTV Leck (dänische Grenze!) auseinandersetzen auf der Zielgeraden des Turniers.

Soweit erstmal zum Schachlichen .. da Schach ja aber nicht alles ist …?

Wir enden für heute mit einem sehenswerten Interview zum Klimawandel, das Richard David Precht vor einem Jahr in der Sendung Maischberger gab. Kann man mal nebenbei laufen lassen – ich finde, es tut gut, mal für zehn Minuten solche konsequente Positionen zu hören.
Precht argumentiert schlüssig und äußerst eindringlich über den Wahnsinn, wie wir auf unserem Planeten mit dem Ausstoß von CO2 den Klimawandel forcieren.

Crisis? What Crisis?

Klimawandel bedeutet ja nicht nur ein verändertes Klima irgendwo abstrakt auf der Welt – das menschgemachte Phänomen wird uns alle noch beschäftigen, Jugendliche, Ältere, Spieler mit hoher und (siehe oben) nicht mehr so hoher Wertungszahl.
Fluten kommen, Böden veröden, Tiere sterben aus, Flora und Fauna wie in den Büchern, bald ist alles nicht mehr da. Wenn wir erst dann anfangen, lange Gesichter zu machen, ist es schon spät.

Könnten wir nicht fürs Erste aufhören, Billigfleisch zu essen? Ein Bann dem Billigfleisch! Die elendige Massentierhaltung bringt nicht nur Schande in moralischer Hinsicht angesichts der Lebensbedingungen, die wir unseren Mit-Kreaturen zumuten.
Methangase, die den Klimawandel beheizen, die Regenwaldabholzung für das Massentierfutter, Gülle in Hülle und Fülle belastet Grundwasser und Flüsse, sowie die industrielle Landwirtschaft hier im Lande, die den Kleinlebewesen Gift und Tod bringt und den Boden zerstört – eigentlich zerstören wir sehenden Auges die Erde, unsere Heimat. Unser Wohnzimmer, wenn mal so will. und am Ende auch unseren Turniersaal.

Internationale Bundesliga – schön war die Zeit, doch soll man noch so viel fliegen?



Irgendwann fliegt uns der Laden hier so richtig um die Ohren, und losgehen mag das schon in wenigen Jahren.

Klingt düster? Ist aber so. Und trotzdem lamentiert immer noch so manch einer über … seine sinkende Wertungszahl.

Allerhöchste Zeit daher, etwas zu ändern, und mit Fridays for Future oder anderen Initiativen mitzukämpfen für eine – klingt naiv, ist aber so – bessere, lebenswerte Zukunft.
Ob das mit weiteren 4 Jahren CDU zu schaffen sein wird, möchte ich nach 16 Jahren an der Regierung sehr sehr stark bezweifeln – danke für gar nichts, Ihr Experten.
Einzige Chance, wenn auch klein, sind die Grünen, um in dieser Richtung bei der Bundestagswahl etwas in Gang zu setzen.

Vorreiter sein?

Und das konsequente Einkaufen von guten und für die Umwelt, Tierwelt, Pflanzenwelt verträglichen Bio-Lebensmitteln – da kann schon jeder von uns gleich heute im Laden mit anfangen.

Viel Spaß dabei – genießt es, hier zu helfen!

Zu viele Fehler und falsche Entscheidungen? Das rächt sich in der Umwelt – und auch am Schachbrett. Remis!

Olaf Steffens

FIDE-Meister seit 1997, seit 2007 Spieler für Werder Bremen in der Zweiten Bundesliga, Oberliga und Landesliga. Größte Erfolge: Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, Bremer Pokalsieger 2013! Größte Misserfolge: Werd´ ich hier lieber nicht sagen! Diplom-Handelslehrer, ich unterrichte an einer Bremer Berufsschule Englisch, Buchführung und Wirtschaft. Lest weiter hier: https://veganeschachkatzen.de/ueber-mich/

Und sonst so?

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9 Comments

  1. Danke für den Report. Immerhin toll , das du bis zur letzten Runde durchgezogen hast 😉 , das schafft nicht jeder GM . Gratulation an das Magnus Carlsen Double zum Turniersieg !

    • Hi Jürgen,
      nützt ja nichts – wir sind ja da, um zu spielen beim Turnier, und können bis zur letzten Runde noch was lernen (oder alternativ was abgeben). Vinzent hat das klasse gemacht, insgesamt souverän und beeindruckend. Beim nächsten Mal mache ich mal ein Foto von ihm, bin leider dieses Jahr nicht so ganz dazu gekommen.
      Grüße nach Nord!

  2. Ich könnte da mit ein paar Punkten aushelfen:

    ………………………………..

    (Ansonsten natürlich volle Zustimmung zu dem Beitrag!)

    • Hi Holger,
      sehr nett von Dir – Du bist ein feiner Kerl! Für das Turnier kann ich die mitgeshickten Punkte ja leider nicht mehr verwenden, aber vielleicht gehen Sie auch für die Ratingzahl? Schicke auch gerne noch ein paar mehr dann :-), wird gerade eng hier.

  3. Sehr schöner Blog, großartiger Post – wir sollten es an jede Wand schreiben: Mehr Klimawandel braucht das Land. Ich habe im Januar aufgehört Billigfleisch zu essen und ernähre mich nun 7 Monate vegan. Danke für Deine engagierten Beiträge – immer wieder schön zu lesen. Zur letzten Runde heute Nachmittag dann aber ein vollen Punkt zum Abschluss.
    VG Frank

    • Hallo Frank,
      vielen Dank!! – das freut mich wirklich sehr mit Deiner Rückmeldung. zum Artikel und zum Blog!

      Cool auch, dass Du umgestellt hast, weg vom billigeren Fleisch. Ist ein bisschen wie bei „Matrix“, finde ich, man kann/will dann gar nicht mehr zurück, wenn klar wird, wie finster das alles ist in Produktion, Haltung, Umweltfolgen. Ab und an esse ich Biofleisch, aber eben selten, dafür aber noch Quark und Käse, und hoffe, das ist noch so ok, weil’s bio ist.

      Mit dem Punkt in der letzten Runde hat es gestern nicht geklappt, ziemlicher Zusammenbruch – gibt einiges zu tun … (oder nicht). Die jungen Leute – einfach sehr stark!

      • @Frank: Von Billigfleisch direkt auf vegan ist ein großer Schritt, großen Respekt!

        @Olaf: Bio hat viele Vorteile, gerade für die Gesundheit (z.B. weniger Verwendung von Antibiotika), auch für die Umwelt, die Artenvielfalt, auch für die Tiere (wenn auch weniger, als man manchmal denkt, auch Bio-Kühe geben absurde Milchmengen etc). Es ist also auf jeden Fall deutlich besser als Nicht-Bio und sollte jede*r machen, der/die es sich finanziell leisten kann (und die politischen Rahmenbedingungen sollten dafür sorgen, dass es mehr zum Standard wird). Für den Klimaschutz bringt der Konsum von Bio-Milchprodukten allerdings nicht so viel, der Großteil der klimaschädlichen Gase bei Milchprodukten entsteht ja durch die massenhafte Existenz der produzierenden Kühe, was durch die Bio-Vorschriften nicht verringert wird. Bei Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen ist ein positiver Effekt möglich, weil sie von den teureren Bio-Produkten weniger kaufen können. Leider sind die pflanzlichen Ersatzprodukte aber ja oft noch teurer, was natürlich in erster Linie an den geringeren Produktionszahlen liegt, aber zu einem kleinen Teil auch daran, dass sie ja auch noch mit 19% statt 7% (wie tierische Produkte) besteuert werden. Zumindest die steuerliche Ungerechtigkeit könnte aber durch grüne Regierungsbeteiligung geändert werden (steht im Wahlprogramm).

        Das mit dem um die Ohren fliegenden Laden fängt glaube ich nicht in ein paar Jahren an – er fliegt doch schon. Frag mal im Ahrtal nach, in Griechenland, der Türkei, Sizilien, dem Nahen Osten, Kanada, Sibirien. Im Gegensatz zu filmisch verwertbaren um-die-Ohren-fliegungen kommt eben hier (wie auch in der Pandemie) nicht erst der große Knall und danach beruhigt es sich, sondern die Knalle werden einfach nur immer größer.

        Was die schachlichen Punkte angeht: Du hast in deinem Leben doch so viele gesammelt, gerecht ist es da schon, wenn jetzt auch mal andere ran dürfen. Aber zum Gewinnen (und weil es mehr Spaß macht) immer lieber gleichfarbiges Läufer- als Turmendspiel! Nur bei der obigen Frage hätte wohl Weiß nicht mit die Türme getauscht…

      • Insgesamt aber natürlich große Zustimmung zu deinem Beitrag und super, dass du diese Themen vielleicht auch noch dem ein oder anderen Schachinteressierten näher bringst, der sie nicht so auf dem Schirm hat (wobei ich fürchte, dass die Uninteressierten dann eher den Blog meiden werden).

      • Hey SF und UF (Umweltfreund) Umumba,
        vielen Dank für Deinen Blick auf die Hintergründe – sehr wertvoll, immer wieder zu lesen. Sicherlich hast Du Recht, alles Fleischliche und Milchprodukte sind eine Belastung der Umwelt in großem Maße, viel mehr, als wenn wir alle viel mehr noch pflanzlich essen würden. Jonathan Safran Foer hat das in „Wir sind das Wetter“ intensiv beschrieben auch – nur setzt sich diese Wahrnehmung insgesamt noch viel, viel, viel zu wenig durch.
        Stattdessen werden andere Dinge thematisiert, während das Dasein hier, so wie wir es kennen und schätzen, massiv gefährdet ist.

        Zustimmung auch, knirschende, zu Deiner These, dass nun mal andere an der Reihe sind, nachdem ich lange ja schon Punkte sammeln konnte. Denke ich mal drüber nach … 🙂 Jedenfalls, Druck will ich mir keinen machen. Aber ein paar Punkte dazugewinnen wieder.

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  • Olaf Steffens on Wie es beim Schloß-Open war?: “oh oh oh, daaaa sagst Du was!Mrz 27, 22:49
  • Holger Hebbinghaus on Wie es beim Schloß-Open war?: “Ich würde ja behaupten, dass Weiß in der Diagrammstellung nicht erst in Vorteil kommt, sondern es bereits ist – jedenfalls,…Mrz 27, 21:07
  • Westerhoff, Ralf on Wie es beim Schloß-Open war?: “Berührend und erschütternd ganz sicherlich. Aber auch wunderschön, wenn man mit den ukrainischen Kindern zwischen den Partien zu Mittag isst.…Mrz 27, 07:08

Alle 11 Züge verliebt sich ein Schachspieler (Foto:Artemese G)