Schuh Schaut Schach: Strike Like Judit!
Eine Rezension von IM Dirk Schuh
Es war der 11.07.1997! Ein Freund und ich fuhren als Zuschauer zu den Dortmunder Schachtagen, um den Großmeistern beim Spielen zuzusehen. Für mich war es das erste Mal, dass ich solch ein Turnier besuchte.
Neben den ganzen Männern saß damals auch eine zierliche junge Frau auf der Bühne. Ich erinnere mich noch ganz gut an ihre Weißpartie gegen Artur Jussupow, dem ich als einzigen Spieler dort zuvor schon einmal bei einem Simultan begegnet war (in dem er mich mit einem Läuferopfer auf h7 zertrümmert hat). Nicht nur, dass die exotische Aljechin-Verteidigung nach 1.e4 Sf6 auf das Brett kam, die mir sehr merkwürdig vorkam (Jahre später holte ich damit meine beiden letzten IM-Normen). Die Frau spielte auch unerbittlich auf Sieg, was mir sehr imponierte. Zwar verlor sie die Partie, weil sie dann doch etwas zu forsch zu Werke ging und nicht rechtzeitig die Notbremse zog, aber danach beschäftigte ich mich mehr mit ihren Partien und fand dabei so manche Perle.
Die Rede ist natürlich von Judit Polgar. Die stärkste Schachspielerin aller Zeiten ist eine lebende Schachlegende und ich war sehr traurig, als sie vor nicht allzu langer Zeit ihren Rücktritt vom aktiven Turnierschach bekannt gab, da sie ihre Rolle mehr und mehr als Funktionärin und Schachbotschafterin sah.
Der US-amerikanische Fidemeister und Schachtrainer Charles Hertan hat ihr jetzt mit „Strike Like Judit- The Winning Tactics of Chess Legend Judit Polgar“ für New in Chess ein literarisches Denkmal gebaut, in dem er ihren Werdegang und ihren kompromisslosen Stil beleuchtet. Dieser hatte es nämlich in sich. Sehr taktisch geprägt hat sie zu ihren Glanzzeiten jeden Spieler der Weltspitze schlagen können. Ich fand es immer faszinierend, wie sie vor allem die Sizilianische Verteidigung ihrer Gegner oft knallhart demontierte. Dazu gibt es in dem Buch natürlich ein Kapitel. Es wird aber auch ihre intuitiv wie rechnerisch starke Seite gezeigt, die zu vielen tollen Partien mit diversen Opfern führte.
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Der Autor beleuchtet dabei teils vollständige Partien, aber auch einige Partiefragmente. Ein wenig irritiert war ich vom Klappentext, der das Buch eher als Trainingsbuch darstellte. Allerdings werden zwar die vielen Taktiken mit Worten und auch Varianten erklärt, aber der abstrahierende Schritt hin zu Regeln und Werkzeugen der Variantenberechnung fehlt, weshalb ich das Buch eher als inspirierende Partiensammlung aus dem Schaffen der größten Schachspielerin der Schachgeschichte wahrnahm.
Sehr gut finde ich allerdings, dass es pro Seite meist zwei bis drei Diagramme gibt, wodurch man die Partien auch gut unterwegs im Kopf nachvollziehen kann. Manche Diagramme sollen wohl auch als Aufgaben dienen, wenn unter diesem anhand eines weißen oder schwarzen Quadrates zu erkennen ist, wer am Zug ist, aber leider ist der Antwortzug meist direkt darunter angegeben, wodurch es schon eine Kunst ist, diesen zu übersehen und die Aufgaben mal selbst zu lösen. Für mich war es darum hilfreicher, die Partien erst im Kopf und dann an einem Schachbrett nachzuvollziehen und so damit zu trainieren.
Die Kommentare sind kurz und etwas oberflächlich gehalten. Es geht ganz klar um das Darstellen der Partien und wichtigsten Ideen, aber nicht um eine tiefschürfende Analyse. Dadurch lässt sich das Buch aber auch relativ locker durcharbeiten.
Insgesamt ist dies ein würdiges Buch über eine lebende Legende. Man lernt einiges zu der Person, aber natürlich vor allem ihre schachlichen Fähigkeiten, die in diversen Turnier-, Schnell- und gar Blitzschachpartien dargestellt werden und imstande sind, Schachspieler jeder Spielstärke zu inspirieren.
IM Dirk Schuh, Schachtrainer
Mai 2018
Das Buch ist erhältlich unter anderem bei Schach Niggemann.
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